Montag, 19. Dezember 2016

Mittwoch, 2. November 2016

herbstregen

in einem novembergedicht
sammeln wir pigmente
gelbbraun als gäbe es
keinen sommer

und kein versprechen für schnee
auf dem mund keine küsse
du weißt wir lügen
lügen uns die jahre entlang

streichen den november
aus jeder zeile
der vorletzte abschied
ein phantomschmerz auf der haut

Mittwoch, 24. August 2016

Michelsberg / Romania

durch den lautsprecher
tönt ein choral
frauen tragen frömmigkeit
und schwarze kleider

wir sprechen gedichte
eines langen tages
die karpaten ziehen grenzen
deine augen tragen sonne

bröckelnde fassaden
hinter den gardinen
trifft man liebe und neugier
in einer fremden sprache

Mittwoch, 3. August 2016

großmutter



großmutter

im schmucken kleid
und leidgewebten zeiten
erkenne ich dich nicht
im vergilbten blick

manchmal träume ich
du wärst eine mutter
die den sohn liebt
die hand auf seiner schulter
wäre er ein anderer

sei nicht so tot
im eingerahmten stein
ein herzband zwischen uns
du liebe

Mittwoch, 22. Juni 2016

16/6 juni

wir sprechen holunderblütenweiß
und wie es wäre
wenn es anders käme
ein blick hinaus

der regen klatscht
ans fenster
wie applaus in einer fremden sprache

die wolkendecke
wird demnächst weiterziehen
morgen schon vielleicht

ich bewahre holunderblütenzeit
und deine zärtlichkeit und
sieben sonnenstrahlen
in einer schachtel aus karton



aus: "das jahr im kalender"

Mittwoch, 18. Mai 2016

16/5 [leer] räume

gestern haben wir
vater begraben
an sein gesicht
erinnere ich mich nicht mehr

nur an den geruch von traurigkeit
es ist nicht zeitgemäß
zu weinen
heute nicht und morgen
wächst löwenzahn auf den gräbern

auf feuchter erde
wärmt die sonne
ein paar gedanken
manchmal biege ich ab
und lasse alles hinter mir



aus: "das jahr im kalender"

faltenzeiten - GEDICHT DES TAGES (Januar 2016)



http://www.gedichte-bibliothek.de/pages/rss-feed/gedicht-des-tages.php?day=20160125



mit blauer tinte
gegen das vergessen
schreiben
vor den lauten
und gebrochenen

flüchtet die zeit
wortgekleidet
in eine große liebe
mit blauen augen

ein leben im wartezimmer
und die kinder
aus dem haus
am fensterbrett blühen
blasse erinnerungen
und hinter den faltenlidern
sein gesicht


Christa Issinger

Freitag, 22. April 2016

vollversammlung der worte

einige der eingeladenen worte blieben
nach der vollversammlung
an der theke
mit einem glas wein in der hand

alle waren gekommen
die wichtigen und
die
GROSSEN mit dem scharfen ß
auch die umlaut hässlichen

die
   
                      v      rr            ck
          e  ü    t            e n


die immer verletzenden
und die sanften

die stille saß ganz hinten im raum

der jahresbericht wurde verlesen
das vorsitzende wieder bestätigt
und das gremium des ausschusses
fiel den lautstarken zu

neben der stille saß das schweigen

die neuen wurden vorgestellt
das wort des jahres prämiert
lobreden fielen wie regen

die peinlichkeit schaute verlegen aus dem fenster

gegen mitternacht
torkelten die lustigen nach hause
sie lallten ein paar unverständliche

Montag, 4. April 2016

die seltsame stille dazwischen


vermisste worte auf blauer linie
ein geständnis
registrierte geburten
geschichten aus fremden zeiten
und handgeschriebene liebe
weiß wie die unschuld




vor dem gesetz sind alle worte gleich
die absätze flüchten ins gebirge
die leeren zeilen
zeitzeugen eines schweigens
sei ganz leise und
leg deinen atem zu den gedichten

Mittwoch, 27. Januar 2016

wortwahl

 
 
 
 
 
 
 
tausend worte
lastgebückte
durch den tag getragen

nur die weichen
lege ich aufs kissen
für die nacht

und die geflüsterten
 
 
 

reststille

die vergangenheit hat keine stimme alles was sie sagt verliert sich in der zwischenzeit verschwommener bilder manchmal findet sie mich wie i...